Leseprobe

Vorwort

Die leise Stimme in dir …

Langsam ist nichts mehr vom letzten Schnee übrig. Nur noch vereinzelt sieht man weiße Reste auf den Feldern. Es ist ein grauer kühler Nachmittag, als ich unterwegs bin zu einer Hundeschule. Ein ganz schönes Stück zu fahren, denke ich, aber zehn Stunden im Verlauf von zehn Wochen, in denen wir etwas lernen, andere Menschen und Hunde treffen, Spaß haben werden: Dafür werde ich diese Strecke auf mich nehmen. Es ist sowieso kein Weg zu weit – für meinen Hund, für mich und für diesen unseren Weg, den wir gemeinsam viele Jahre gehen werden und an dessen Anfang wir gerade erst stehen. Und deshalb kann so eine Hundeschule gar nichts schaden. Warum nicht?!, denke ich, während ich in diesem äußerst kleinen Ort irgendeinen Hinweis, eine Einfahrt, ein Schild oder wenigstens eine Hausnummer suche.

Da, ein Hof, mehrere Autos, Hunde. Hier muss es sein. Der Trainer begrüßt mich mit Handschlag. Wir haben telefoniert. Ein großer durchtrainierter Mann, freundlich, bestimmt, er redet nicht allzu viel. Und schon geht es los. Wir sind eine bunte Truppe aus Menschen und großen, kleinen, jungen, älteren Hunden, die sich hier zur Schnupperstunde zusammengefunden haben. Filli ist nervös. Die anderen auch. Alles fremd. Gerüche. Artgenossen. Leichte Anspannung ist auch bei den Menschen zu spüren. Wir haben uns im Kreis aufgestellt, und nach einer kurzen Einführung des Trainers beginnen wir mit ein paar leichten Übungen. Ich erinnere mich gar nicht mehr genau. Wir liefen alle hintereinander her im Kreis, die Hunde locker neben uns, nicht zu langsam, nicht zu schnell, dann kreuz und quer, während er ein paar Anweisungen gab. Irgendwann sollten wir uns wieder im Kreis aufstellen und die Hunde neben uns ablegen lassen. Einige hatten Mühe, ihren Hund ins Platz zu legen. Ich auch. Filli war die Letzte, die noch stand. Ich bemühte mich wirklich. „Platz“, „Platz!“, „Platz!“, „Plahatzzzz!!!“. Immer wieder deutete ich mit dem Finger vor ihrer Nase auf den Boden. Das war doch sonst eine unserer leichtesten Übungen. Wie peinlich … Ich wusste nicht mehr, was ich machen sollte. Sie sah mich an, die Beine stocksteif, mit angespannter Haltung. Ich wusste, dass sie weiß, was „Platz“ bedeutet. Und ich wusste auch – und verstand – warum sie es jetzt und hier auf gar keinen Fall tun konnte, auch nicht mir zuliebe. Ihre Augen sahen mich direkt an, und in dem Moment gab es nur uns beide. „Ich kann jetzt nicht Platz machen! Ich fühle mich wohler, wenn ich stehe und alles sehen kann! Ich bin gar nicht entspannt … ich möchte mich nicht hinlegen!“ „Ja, ich verstehe dich und mir ist es auch völlig egal, ob du stehst oder liegst. Du kannst es ja, das weiß ich!“

Der Trainer trat zu uns. Wir hatten nun die allgemeine Aufmerksamkeit. Die Anspannung war fast greifbar. Keiner sprach mehr. Selbst die Hunde, so schien es, waren gespannt, was jetzt passiert. „Sie will sich nicht hinlegen“, sagte ich so locker wie möglich und hoffte, die Sache wäre damit geklärt. „Aber du musst das jetzt durchsetzen!“, sagte der Trainer streng. Filli sah mich fragend an. „Und wie soll ich das machen?“ „Du hockst dich neben sie und nimmst die gegenüberliegenden Beine und ziehst sie mit einem Ruck unter ihrem Körper weg.“ Als er dies sprach, lief der Film schon vor meinem inneren Auge … Ich sehe, wie Filli mit voller Wucht auf die Seite knallt … sehe die Überraschung, die Angst und den Schmerz in ihren weit aufgerissenen Augen … „Niemals!“ Nein, niemals! Und so haben wir uns umgedreht und sind einfach gegangen … „Komm, Filli, lass uns nach Hause gehen!“ Diese Geschichte soll am Anfang meines Buches stehen, habe ich schon vor vielen Jahren gedacht, als ich begann, meine Erfahrungen niederzuschreiben. Und so beginnt nun auch dieses Buch mit ihr. Nicht nur, weil viele den Anweisungen des Trainers, der vermeintlichen Autorität, oder dem, was irgendwo geschrieben steht, gefolgt wären oder es tatsächlich getan haben … das ziehende Gefühl in der Magengegend, den Kloß im Hals, den bitteren Geschmack auf der Zunge und den hilfesuchenden Blick des Tieres ignorierend … während die Stimme in uns „Halt“ schreit … Vielleicht vor längst vergangener Zeit. „Aber wir lieben sie doch!“, wollten wir hinausrufen. Wir wollten doch alles richtig machen … Wir alle sind doch auf der Suche nach Nähe, Freundschaft, Vertrauen – Menschen und Tiere. Wir alle wollen verstehen und verstanden werden, denn das macht eine tiefe und liebevolle Beziehung doch aus!

Dieses Buch …

Und so soll dieses Buch für immer auch eine Erinnerung an dich sein, Filli – wenn du nicht mehr neben mir gehst und ich dich nur noch im Herzen trage –, an uns und die bedingungslose Liebe, die du mir geschenkt hast, die für immer bleibt. So viele Jahre … Liebe, Freundschaft, Vertrauen, Verstehen. Nein, wir brauchten keine Hundeschule, wir zwei. Damals, als du noch nicht lange bei uns warst, nachdem du aus dem Tierheim dort in Ungarn kamst – mit all deinen früheren Erfahrungen, Erlebnissen, Ängsten im Gepäck – und wir uns gefunden haben für unser gemeinsames Leben … Vergangenheit. Heute liegst du neben mir, bist grau geworden, ganz weiß schon im Gesicht. Liebevoll streift mein Blick über deinen Körper. „Last Christmas“? … Vielleicht. Du hast meine Seele berührt. Tausende Male. Hast mich begleitet. Und wir zusammen so viele Menschen und Tiere über die ganze Zeit.

Ja, es werden immer mehr Menschen, die auf der Suche sind. Auf der Suche nach diesem anderen Weg. Einem Weg, der mit unserem Herzen im Einklang ist. Geprägt von Vertrauen, Respekt, Kommunikation und Verständnis. Ich habe in den letzten Jahren so viele dieser Menschen und ihre Tiere kennengelernt, habe Geschichten von Missverständnissen, Angst, Wut, Enttäuschung, Schuldgefühlen und fehlendem Vertrauen gehört. Ich habe Tränen getrocknet, damit sie wieder sehen können, ihre Herzen geöffnet, habe ihnen geholfen und ihnen Mut gemacht, an sich und ihre innere Stimme zu glauben. Denn ich bin lediglich eine Vermittlerin zwischen Mensch und Tier, die seit Urzeiten miteinander verbunden sind. Ich öffne nur ein Tor zu dem, was verborgen in uns allen steckt und was wir längst vergessen haben.

Und nun sitze ich wieder hier über den ersten Seiten dieses Buches, das ich vor langer Zeit zu schreiben begann, das sich so viele Menschen gewünscht haben … und das ich in stillen Stunden den verlorenen Tieren versprochen habe, für die ich nichts mehr tun konnte.

Und ich denke zurück … an Chico, diese so zarte und wundervolle Seele, der sich am Eingang zum Licht, dort, wo die Seele Frieden findet, noch einmal zu mir herumdrehte und mir tief in die Augen sah. Er, der aus einem Tierheim in Griechenland kam, wo er sein ganzes junges Leben mit seinem Bruder verbracht hatte. Als Welpe in einem Rohr gefunden, hatte er nie in Freiheit gelebt. Er bekam ein Zuhause, wurde nach Österreich vermittelt – ohne seinen Bruder – und entlief dort nach einem langen Transport und all den Veränderungen, die nun auf ihn einströmten, nach nur drei Tagen aus dem Garten, weil er sich plötzlich vor irgendetwas erschreckte, wie ihn so vieles in seinem neuen Leben ängstigte. Ja, auch aus Unachtsamkeit der Menschen, aus Unwissenheit über seine Geschichte, seine Gefühle, seine Angst … vielleicht. Ich wurde vom Tierschutzverein gebeten, über die Tierkommunikation bei der Suche nach ihm zu helfen. Leider war es zu spät … Chico wurde angefahren, tödlich verletzt und starb jämmerlich in einem Straßengraben. Er war nur neun Monate alt geworden. Sein erster Lauf in Freiheit … Ich sehe noch das Bild vor mir, wie er sich im Tierheim immer am Gitter seines Zwingers aufrichtete, um auf den Gang schauen zu können, neugierig auf das, was „da draußen“ ist. Und ich sehe und fühle auch alles, was danach kam … seine Angst, seinen Schmerz, sein Sterben …

„Ja, ich schreibe mein Buch … für dich und all die anderen … damit die Menschen euch besser verstehen, damit sie eure Seelen sehen“, habe ich ihm voller Verzweiflung hinterhergerufen, während Tränen von meinen Wangen tropften … Es sind so viele Geschichten, so viel, was mir in meiner Arbeit mit Mensch und Tier begegnet ist … unendlich glückliche, aber eben auch tieftraurige … Ich trage sie alle in meinem Herzen, und ich möchte mit diesem Buch ganz vielen Menschen helfen, die Tiere zu verstehen, sie als fühlende, intelligente Wesen zu sehen und mit ihnen zu sprechen. Es ist so viel, was sie für uns tun … Sie haben es so verdient, gehört zu werden! Wir können so unendlich viel von ihnen lernen, wenn wir uns wieder verbinden mit allem, was ist – und damit zurück zu uns selbst finden …