Es heißt, dass wir auf unserer letzten Reise, in dem Augenblick, in dem wir aus diesem Leben scheiden, am Ende eines Tunnels stehen, vor einem hellen, wunderbaren Licht. Und dass wir einen Film sehen über uns. Eine Rückschau auf unser Leben. Die, die schon einmal diese Grenze zwischen Leben und Tod überschritten haben, erzählen, dass sie überrascht waren, denn es sind nicht die Szenen, die wir erwarten würden – die bedeutenden Meilensteine unseres Lebens – auch nicht die materiellen Dinge, die wir erreicht haben – sondern kleine Momente des Glücks, die uns vielleicht nie so aufgefallen sind, Augenblicke, die uns am meisten berührt haben, aber längst vergessen waren und vor allem die Situationen, in denen wir aus reiner Liebe gehandelt haben.

Nein, Glück ist kein Ding. Dinge bleiben nicht in Erinnerung. Manch einer mag sich vielleicht glücklich schätzen, sich endlich DAS Handy seiner Träume, einen großen Fernseher oder endlich sein Traumauto leisten zu können… Ja, jeder hat andere Träume und es ist schön, sie zu verwirklichen. Wenn sie wirklich glücklich machen… Doch meistens dienen diese Dinge nur vordergründig dem Glück… Die angesagte Handtasche, die teure Sonnenbrille, die neuesten Schuhe… Ist es Glück? Für manche ja. Doch wie lange hält es an? Tragen wir jeden Tag wieder diese wahnsinnstolle Handtasche mit uns herum und denken „Was bin ich glücklich!!!“? Leider überholt sich dieses „Glück“ viel zu schnell, denn drumherum bleibt alles, wie es ist. Es gibt neue Dinge, ein neues Glück, nach dem wir streben, um vielleicht am Ende festzustellen, dass wir ewig auf der Suche sein werden… Es ist ein ganz schöner Druck, immer das Neueste und Beste haben zu müssen. „Wenn du nichts mehr willst, entlässt dich der Druck, in den dich deine Wünsche gestellt haben…“ Ja, es ist ganz schön befreiend, wenn man nicht unbedingt dies oder das haben MUSS. O.k. Schön, wenn ich es habe… Und wenn nicht, ist auch gut! Was für eine innere Freiheit ist das! „Gelassensein auf Habenmüssen“ sozusagen :-) . Fühlt sich gut an!

Doch was ist dann das Glück? Glück ist kein Ding. Es ist ein Gefühl… tief drinnen im Herzen. Ein Gefühl von Nichts mehr wollen und Nichts vermissen. Es ist Verzaubertsein in Momenten, die viel zu schnell vorbei sind. Es sind Erlebnisse und Augenblicke, die oberflächlich betrachtet, oft ganz klein und unbedeutend scheinen. Ein Vogelzwitschern, ein Schmetterling. Berauscht sein von Stille und einfach SEIN. Es sind die Begegnungen mit Menschen und Tieren, die uns berühren und die uns wirklich glücklich machen… Und an die wir uns erinnern werden, wenn wir alt sind. Und vor allem ist Glück all das, was wir aus reiner Liebe tun… „Wer andere glücklich macht, wird glücklich!“ Es stimmt! Ich bin es.

© Sylvia Raßloff

Ich weiß noch, wie es war, als wir keinen Hund mehr hatten. Damals, als unser altersschwacher Gefährte den Weg alles Irdischen gehen musste. Dorthin, zu den grünen Wiesen, hinter die Regenbogenbrücke, wohin wir ihn nicht begleiten konnten. Wir waren allein! Zum ersten Mal seit vielen Jahren. Verloren im Universum! Heulend saßen wir hier in dem nun so stillen Haus. Ausgestorben, leer, einsam. Das Schlimmste ist das Nachhausekommen! Überall bist du… und doch nicht mehr hier.

Das erste, was von meiner Mutter kam „Jetzt genießt erst mal das Leben! Gönnt euch was! Und holt euch nicht gleich wieder einen Hund!“ Sie meinte es gut, ganz klar, hatte sie doch die letzten Wochen und Monate gesehen, wie sehr uns seine Krankheit in Anspruch nahm. Keine Nacht, die wir mehr durchgeschlafen haben. „Fahrt mal in Urlaub! Das tut euch gut!“ Urlaub… Hä? Jetzt? Ich weiß nicht, wie lange ich nicht vor die Tür ging, weil ich dauernd heulen musste. Verschwollen, appetitlos, müde, traurig schleppte ich mich durch die Tage. „Gehen wir doch mal Spazieren! Die Sonne scheint so schön!“ Was? Ich? Spazieren? Die Sonne scheint? Wieso scheint eigentlich die Sonne? Wie kann sie lachen? Alles grünt und sprießt draußen… Es ist Frühling! Ich verkrieche mich, möchte, dass es regnet, dunkel und grau ist… So, wie ich mich fühle! Ich will nicht spazieren gehen! OHNE Hund! Bei jedem Schritt würde ich ihn sehen, bei jedem Hund, dem wir begegnen, wieder in Tränen ausbrechen. Niemals! „O.K. Dann in die Stadt! Shoppen. Irgendwas Schönes! Dann einen Kaffee trinken. Draußen sitzen. Leute beobachten! Das hast du doch immer gesagt, gefällt dir!“

Shoppen? Nein, ich brauche nichts. Will nichts! Will keine lachenden Leute sehen. Keine Hunde! Laufe rum, wie in Trance! Der Kaffee schmeckt fad! Alles ist fad. Wie durch Nebel schaue ich die Leute an… Ich höre, dass sie reden, verstehe kein Wort. Da ist nur er, immer wieder vor meinen Augen. Wäre er jetzt hier! Wir würden durch den Wald streifen, nur wir zwei, anstatt hier zu sitzen und Leute um mich zu haben, die mir nichts bedeuten… Alles hat irgendwie seinen Sinn verloren. Urlaub, Leben genießen… Was heißt eigentlich Leben genießen? Alles, was ich mir vornahm, mal zu machen, wenn ich keinen Hund habe, weil mit Hund schwierig, interessiert mich plötzlich nicht mehr! Ich kann mich nicht mehr freuen… Meine Augen füllen sich schon wieder mit Tränen… Verloren in diesen Gedanken und meinem Schmerz fasse ich an das Amulett mit deinem Bild, das ich um den Hals trage, damit du immer bei mir bist. Es ist ganz warm und ich spüre ein Ziehen in meinem Herzen. Ein Drängen, eine Sehnsucht… Wo ist das nächste Tierheim? Denn eines weiß ich jetzt: Ohne Hund ist ALLES doof!

© Sylvia Raßloff

Sylvia mit HundenIch weiß nicht, wie es angefangen hat. Wer diese Liebe zu Tieren und ganz besonders zu den Hunden in mein Herz gepflanzt hat. Vielleicht war es Bim. Das erste Hundebuch, das mich tief geprägt hat. Weißer Bim, Schwarzohr. Vielleicht war es, weil diese Geschichte kein Happy End hatte, weil Bim sterben musste, nach seiner langen Odyssee auf der Suche nach seinem Herrchen, der plötzlich schwer erkrankt ins Krankenhaus kam. Er starb im Transporter der Tierfänger, weil die böse Nachbarin ihn nicht mehr ins Haus ließ, als er am Ende schwer verletzt wieder dort auftauchte. Sein Herrchen kam zu spät… Daran kann ich mich erinnern. Und daran, dass mich das Buch und die Treue dieses Hundes lange beschäftigt hatte. Dass es mich sehr traurig gemacht hat, was es für böse Menschen gibt. Ich habe davon geträumt, mit den Kindern zusammen nach Bim zu suchen,  weil ich ihn retten wollte. Habe mir vorgestellt, wie die Geschichte anders ausgegangen wäre, wenn, ja wenn doch nur alles anders gewesen wäre und es viel mehr Menschen geben würde, die das Schicksal eines Hundes auf der Straße nicht kalt lässt.  Es gab einfach nichts, das mich trösten konnte und ich habe lange Zeit damit zu kämpfen gehabt. Bim hat mir das Herz gebrochen.

Als ich klein war hatte ich Hamster und einen Wellensittich. Doch seit ich denken kann, wünschte ich mir einen Hund. Jeder Weihnachtswunschzettel enthielt diesen einen innigen Wunsch. Ich führte sämtliche Hunde der Nachbarschaft aus. Ich klingelte an Haustüren fremder Leute und bettelte darum, ihren Hund ausführen zu dürfen. Susi, Bobby, Rocky… die heute schon lange hinter der Regenbogenbrücke rumtollen, haben mich begleitet. Ich habe ihnen Kunststückchen beigebracht und bin stolz mit ihnen durch die Gegend spaziert, habe ihnen meine Geheimnisse und Sorgen anvertraut. Manchmal war es ein regelrechter Wettlauf mit der Zeit, wer als erstes da war, meine Freundin oder ich, um einen Hund abzuholen. So verrückt war ich nach Hunden. „Oh, den Bobby hat gerade jemand abgeholt.“  Mist! Als ich 10 war und alles Einsen auf meinem Zeugnis hatte (Das war das erste und einzige Mal.) habe ich ihn dann bekommen. Meinen ersten Hund „Porky“. Ein brauner Cockerspaniel.

Wir haben uns als Kinder ganz alleine um ihn gekümmert, weil meine Mutter den ganzen Tag arbeiten musste. Er war überall dabei. Er hatte sogar ein selbstgemachtes AC/DC –Halsband aus Leder – schwarz mit roten Buchstaben – die nie gehalten haben. Porky hat furchtbar an der Leine gezogen, ist öfters ausgebüchst und hat auch sonst so ziemlich gemacht, was er wollte. Aber Hundeschule in dem Sinne wie heute gab es damals noch nicht. Ich erinnere mich noch an die Spaziergänge im Schlosspark, wo eine große Hundegruppe sich regelmäßig traf. Und an Frau Grünewald, eine freundliche ältere Dame, die mal Boxer gezüchtet hat und die uns Kindern wertvolle Tipps gab. Im Winter haben die Erwachsenen immer wieder an Weggabelungen angehalten und ein Schnäpschen ausgepackt, jeder hatte sein Glas dabei und so ging es Reih rum. Es wurde viel gescherzt und gelacht. Die Hunde spielten und wir Kinder standen und hörten uns die Geschichten der Erwachsenen an. Es war eine schöne Zeit. Doch leider war es uns nicht vergönnt, Porky lange bei uns zu haben… Und wieder zog es mich zu den Tieren.

Es begann „meine Zeit im Tierpark“, den es bei uns in der Nähe gab. Ich verbrachte meine ganze Jugend dort. Wir waren fast jeden Nachmittag da. Und am Wochenende auch. Meine Freundin Susi und ich. Wenn es Hitzefrei gab und  andere nach der Schule schnurstracks ins Bad gingen, fuhren wir mit dem Fahrrad in die „Fasanerie“, um zu helfen, die Tiere zu tränken.  Eimer schleppen. Ausmisten. In der Futterküche Futter zubereiten. Wir haben richtig schwer gearbeitet und halfen begeistert bei allem, was anfiel, nur, um bei den Tieren zu sein. Wir haben uns heimlich auf die Pferde gesetzt.  Ohne Sattel, weil wir durften ja nicht ohne Aufsicht reiten, haben wir Ausflüge durch den Wald gemacht. Kichernd haben wir die Stallhalfter unter den Pullovern versteckt und sind zur Koppel gelaufen, um anschließend einen riesen Anschiss zu kassieren, weil Hosenbeine voller Pferdehaare uns verraten haben. Ich habe in die Mähne von Silka, „meiner“ Haflingerstute, meine ersten Liebeskummertränen geheult und meinen ersten Kuss hinten in der Pferdekutschengarage bekommen. Ich habe Ziegen melken gelernt und Pokern im Aufenthaltsraum über der Futterküche.

Es war eine wunderbare Zeit, die mich sehr geprägt hat und die Tiere sind es auch, die mich als meine Lehrer und Begleiter dahin gebracht haben, wo ich heute bin. Doch es war Bim, der weiße Bim mit dem schwarzen Ohr, dessen Geschichte mich nie mehr los ließ, und vielleicht ist er der Grund, dass es mich auch immer wieder dorthin zieht, wo Tiere unseren Schutz und unsere Hilfe brauchen. Manchmal glaube ich, dass jeder, der Tieren helfen möchte,  so eine wunde Stelle tief in seiner Seele hat, die nur die geretteten Tiere sehen und heilen können. Bim musste sterben … aber sein Herrchen ging am nächsten Tag dorthin zurück und nahm einen anderen Hund mit nach Hause.

© Sylvia Raßloff