Er saß auf einer Bank und streichelte seinen Hund, während er leise mit ihm sprach. Ich war so berührt von diesem Anblick, dass ich mich einen Augenblick dazusetzte. Plötzlich sagt dieser Mann zu mir “Warum sind wir so?” Ich entgegnete ihm “Wer?” Der alte Mann wirkte nachdenklich… “Wir… wir Menschen. Warum sind wir so?” Überrascht antwortete ich “Ich weiß nicht…”
Und dann begann er einfach zu reden…: „So viele Menschen sind unzufrieden… sind wütend, verzweifelt, traurig… wollen so Vieles ändern, was um uns herum passiert… und dabei verurteilen sie, grenzen aus, zeigen mit dem Finger nur auf die anderen… doch sie selbst sind nicht bereit, sich zu ändern? Warum sind wir so? Warum lügen Menschen, hassen, verletzen andere? Wir sehnen uns nach Frieden, nach Glück… doch was wir in uns selbst nicht gefunden haben, können wir auch nicht geben… Wir wollen immer nur nehmen. Warum sind wir so?
Wir jammern wir über das Leid auf der Welt für Mensch und Tier, den Raubbau der Natur, die Vergiftung unserer Umwelt… doch selbst wollen wir nichts dagegen tun? Warum sehen wir die Not der Schwächsten nicht und überlassen so Vieles dem Schicksal, geben die Verantwortung einfach ab, ohne zu erkennen, dass so Vieles mit UNS zu tun hat? Wir verschließen die Augen, verdrängen das Leid, während wir uns den Kopf über “Probleme” zerbrechen, die oft keine Wirklichen sind! Warum sind wir so? Warum tun wir uns so schwer, nach unseren Herzen zu handeln… und vielleicht etwas zu verändern, solange wir leben?“
Der alte Mann sah mich an und ich fragte „Haben Sie die Antwort gefunden?“ Er zögert einen Moment, bevor er fortfährt: „Ich bin alt, habe viel gesehen, erlebt und gelernt… habe vertraut, geliebt und gekämpft. Bin oft gefallen, wurde belogen und verletzt… habe viele Seiten des Lebens kennengelernt und bin so vielen verschiedenen Menschen begegnet. Ich habe viel Zeit damit verbracht, zu versuchen, die Menschen zu verstehen… Doch jetzt weiß ich, dass es Zeitverschwendung war… denn ich habe es nie verstanden, warum Menschen so sind. Genau wie mein Freund hier…“
Er tätschelte liebevoll seinen Hund „der lange auf den Straßen lebte und nun mein treuester Gefährte ist. Menschen wollen sich nicht ändern…“ Es klingt endgültig aus seinem Mund… Der Hund legt vertrauensvoll den Kopf auf sein Bein. Und so sitzen wir eine Zeit gemeinsam auf dieser Bank… und es fühlt sich so friedlich an. Doch die Gedanken wollen keine Ruhe geben und so sage ich in die Stille hinein zu ihm… „Aber es sind nicht alle so! Es kann doch nicht sein, dass alle Menschen einfach alles so hinnehmen… Es gibt doch Menschen, die anders sind…?“ Der alte Mann schweigt.
Nach einer Weile sagt er: „Die Antwort ist Liebe! Die wahre, reine, bedingungslose Liebe… zur Natur und zu allem, was lebt. Sie vermag Berge zu versetzen, alles zu verbinden und alles zu heilen. Ja, es gibt sie, diese Menschen, überall… Und hier…“ Fragend sehe ich mich um… Als ich mich ihm wieder zuwende, schaut er mir tief in die Augen und sagt: „Wir alle sind auf der Suche nach jemandem, der etwas tut, etwas verändert. Doch die Veränderung beginnt in uns selbst… Bei jedem einzelnen!“
Er stand auf und ging langsam mit seinem Hund davon…
(Sylvia Raßloff)
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